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glut (2014-16)

für Orchester

Die lange Entstehungszeit von November 2014 bis Januar 2016 verdankt sich teilweise dem Umstand, dass das Werk selbst für meine Verhältnisse von einer ausserordentlich hohen Dichte der Ereignisse geprägt ist. Diese Dichte bezieht sich nicht nur auf das gleichzeitig Erklingende, also die Vertikale, sondern auch auf die Vielzahl und Komplexität der verarbeiteten Klangvorstellungen und somit auf die Mannigfaltigkeit der Texturen, welche sich im Verlauf des Stücks sukzessive entfalten.
Um die unterschiedlichen „auditiven Visionen“ adäquat in Klang (über)setzen zu können und den „Klangkörper Orchester“ von verschiedenen Seiten her auszuleuchten, war es notwendig, auch auf der Materialebene grösstmögliche Diversität anzustreben.
Die daraus resultierende, sich permanent ändernde Topographie der klanglichen Erscheinungen wird dramaturgisch zusammengehalten einerseits durch Vor-und Rückbezüge von Ereignissen, andererseits durch „stehende“ harmonische Felder, von denen einige - ähnlich tonikalen oder dominantischen Flächen in der tonalen Musik - aufgrund ihrer zeitlichen Ausdehnung die Funktion von Zäsuren übernehmen und dadurch den formalen Verlauf fassbarer machen.
 
„glut“, diesmal im Sinne von Leidenschaft, steht auch für die Passion, monatelang an einem Ort zu forschen, sich einzugraben in die unendliche Masse der möglichen Klänge und so in Bereiche vorzustossen, die einem zuvor unbekannt waren. Dort ist nurmehr langsames, intuitives Vortasten möglich, um dem Imaginierten Kontur zu verleihen.
Gleichzeitig muss aber eine derart sich entwickelnde Musik in jeder Dimension, also vom einzelnen Ton über ganze Passagen bis hin zur Grossform, auf ihre Substanz befragt und geprüft werden, was wiederum ein rationales Vorgehen erfordert.
Die Arbeit an diesem Stück hiess daher auch, den Widerspruch auszuhalten, als Suchender in einer Welt unterwegs zu sein, deren eigener Schöpfer man gleichzeitig ist.
Eine Welt, deren innere Glut, zu Klang geformt, nach aussen drängt.

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